Perspektivwechsel durch ein Praktikum in der Altenpflege
»…und plötzlich hat sich meine Sicht auf mich selbst durch die Ausbildung und durch dieses Praktikum verändert.«
Claudia Schöttler, Auszubildende Sozialassistentin im letzten Ausbildungsjahr, hat gerade ihr Praktikum in einem Seniorenheim beendet. Wir sind froh, dass sie sich die Zeit genommen hat, uns ein paar Fragen zu beantworten, um einige ihrer Erfahrungen mit uns zu teilen.
Mögen Sie kurz beschreiben, mit welchen Erwartungen Sie in das Praktikum gegangen sind?
Ich bin ganz locker an mein Praktikum rangegangen. Da es mein zweites in der Pflege ist, war ich ganz entspannt und vor allem neugierig darauf. Erwartungen? – Ich wollte einen guten Einblick in den Alltag dort erlangen und war einfach gespannt: Welche Menschen werde ich treffen, welche Lebensgeschichten werde ich erfahren? Was erwartet mich für ein Arbeitsplatz, wie wird dort gepflegt? Wird es anders sein als in meinem allerersten Praktikum? Gibt es ähnliche Abläufe oder ist hier alles ganz anders? Die Auswahl für diesen Praktikumsplatz kam durch eine Empfehlung von einer Bekannten und nachdem ich mir die Homepage des Hauses und Fotos auf der Facebookseite vom Seniorendomizil an der Panke angeschaut hatte, war ich Feuer und Flamme und wollte unbedingt in dieses Haus. Es hat mich einfach sofort angesprochen und überzeugt, denn ich hatte den Eindruck, dass die Botschaft ist: Dieses Haus liebt seine Bewohner.
Wie viele Bewohner betreuen Sie in der Einrichtung/ auf Ihrer Station?
Das Haus hat insgesamt sieben Etagen und kann 98 Personen unterbringen. Ich wurde in die vierte Etage eingeteilt, dort leben 15 Senioren, zehn Männer und fünf Frauen.
Bitte nennen Sie ein paar der Aufgaben, die Sie in Ihrem Praktikum übernehmen.
Aufgaben, die ich in meinem Praktikum übernehme, sind sehr vielfältig: Ich wecke die Bewohner oder bringe sie ins Bett und helfe beim An- und Auskleiden. Ich übernehme Hautpflege, kämme, rasiere, dusche, begleite zu Toilettengängen… Außerdem müssen einige Bewohner gelagert werden. Ich muss auch darauf achten, dass die Bewohner ausreichend trinken. Meine Kollegen und ich servieren auch Essen und reichen es an, wenn das nötig ist. Außerdem begleite ich unsere Bewohner zum Arzt oder auf einen Spaziergang nach draußen. Ich spiele Gesellschaftsspiele, beziehe alle Betten jeden Tag komplett frisch. Außerdem fallen viele allgemeine Haushaltsaufgaben an.
Würden Sie uns Ihr bisher schönstes Erlebnis im Praktikum schildern?
Mein schönstes Erlebnis im Praktikum war das Lächeln der Bewohner und Kollegen wenn ich jeden Tag zum Dienst angetreten bin. Das Strahlen und die glücklichen Tränchen im Gesicht einer Bewohnerin als ich ihr eine kleine Freude gemacht habe, indem ich ihr etwas schenkte. Der Spaß bei der Arbeit im Team, der freundschaftliche Umgang – all das waren schöne Momente!
Und was hat Ihnen gar nicht gefallen oder war Ihr unangenehmstes Erlebnis?
Ich hatte keins, aber was mir gar nicht gefällt ist, dass die Bewohner kaum Besuch bekommen. Wirklich schade!
Bitte stellen Sie uns ganz kurz Ihr Team vor.
Mein Team der Station 4 besteht aus einer Wohnbereichsleitung, einer Pflegefachkraft, drei Pflegemitarbeiterinnen und zwei Auszubildenden. Außerdem gibt es noch Mitarbeiter für die Nachtschicht, die ich jedoch bisher nicht kennengelernt habe.
Sie begleiten den Alltag von Seniorinnen und Senioren ganz aus der Nähe…:
Was ist in Ihren Augen schön am Alter?
Oberflächlich gesehen, ist am Alter sicherlich schön, nicht mehr arbeiten zu müssen und Freizeit zu haben – vorausgesetzt man ist GESUND!!! Wenn man jedoch krank ist… In meinen Augen ist es bestimmt nicht besonders angenehm alt zu sein, wenn man auf andere angewiesen ist und abhängig von ihrer Hilfe. Ich könnte mir vorstellen, dass es doch recht unangenehm sein muss, wenn man nicht mehr sein ›eigener Herr‹ ist und Unterstützung beim Toilettengang benötigt.
Was ist in Ihren Augen schrecklich am Alt-Sein?
Gerade in einem Seniorenheim steht für mich das Vertrauen an allererster Stelle. Wenn man alt ist, muss man sich auf andere verlassen können. Traurig ist auch gerade in dem Fall die Demenz. Die Menschen sind einfach hilflos! Die Einsamkeit, die Langeweile, die Medikamente, die Stimmungsschwankungen, Krankenhausaufenthalte, Operationen, evtl. Schmerzen und das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden – all dies klingt für mich erschreckend am Alt-Sein. All diese Seelen haben viel erlebt und durchgemacht in ihrem Leben und was erwartet sie nun?
Hat das Praktikum Ihre Sicht auf alte Menschen verändert?
Meine Sicht auf alte Menschen war immer respektvoll und hat sich in keiner Weise negativ verändert – im Gegenteil. Früher schon wollte ich aus dem Grund Polizistin werden um alten Herrschaften über die Straße zu helfen. – Ich wollte einfach schon immer was Nützliches tun.
Die ganze Zeit lief ich durch die Weltgeschichte und wollte so unbedingt Erzieherin werden und die Sozialassistentenausbildung für den MSA durchziehen und plötzlich hat sich meine Sicht auf mich selbst durch die Ausbildung und durch dieses Praktikum verändert. Jetzt weiß ich erst, dass ich meine Berufung gefunden habe: Ich möchte Altenpflegerin werden!!! Ich möchte die Zeit für Gespräche haben mit den Bewohnern, ich möchte den Senioren ein offenes Ohr anbieten, ihnen beistehen, ihre Sorgen und Nöte zur Kenntnis nehmen und für sie da sein. Sie pflegen und ihnen dabei ein gutes Gefühl geben.
Werden Sie etwas vermissen, wenn das Praktikum vorbei ist?
Ja, ich werde alles sehr vermissen. Ich wurde über den Klee gelobt. Und das Tollste ist, dass meine Kollegen und die Bewohner mich vermissen werden und mir sagten, dass ich unbedingt wiederkommen soll und mich bewerben.
Möchten Sie sonst noch etwas sagen?
Ich habe viel über den Tagesablauf im Wohnbereich der vierten Etage erfahren und konnte mich gut einbringen – auch durch den hervorragenden fachbezogenen Pflegeunterricht bei unserer Dozentin Frau Uehleke. Ich konnte Fachbegriffe abrufen und mit neu gelernten Dingen an mein Wissen anknüpfen. Ich durfte allen Mitarbeitern über die Schulter schauen und alle möglichen Fragen stellen. Auch am Computer konnte ich Neues sowie Interessantes dazulernen. Viele Kontakte mit anderen Berufsgruppen sind zustande gekommen, weil im Seniorendomizil an der Panke viele Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Logopäden, Heilpraktiker und auch Mitarbeiter aus der Beschäftigungstherapie ins Haus kommen. Wer teamfähig ist, freundlich, rücksichtsvoll und aufgeschlossen und wer alten Menschen mit Einfühlungsvermögen aufmunternd begegnen kann und ein Lachendes Herz hat, der wird auch in diesem Beruf Unangenehmes mit Humor nehmen. So ist es zumindest mir passiert :-))