Von Glücksunterhosen und goldenen Anhängern. Oder: Weshalb Glücksbringer ganz ohne Magie zum Erfolg führen können.
Von Bettina Conradi
Meine gute Freundin Mia (Name geändert) trug zu jeder ihrer Abschlussprüfungen ihre Glücksunterhose: Einen pinkfarbenen Schlüpfer mit schwarzer Spitze, auf dem das Wort ›Bratarsch‹ zu lesen war. Natürlich trug sie ihn – nur für sich – auch an allen wichtigen ›ersten Tagen‹ im Praktikum oder auch später – bei Vorstellungsgesprächen oder bei der Aufnahme einer neuen Arbeitsstelle. Sie schwor darauf.
Bella (Name geändert), meine damalige Mitbewohnerin, trug zu solchen Gelegenheiten immer ihren Glücksanhänger um den Hals, eine kleine goldene Version des Italien-Stiefels. Ich habe meine Abschlussklausuren alle mit meinem Glückskugelschreiber verfasst und vor jeder mündlichen Prüfung den Song ›New Eyes Open‹ von ›The Draft‹ rauf und runter gehört.
Wir schworen außerdem alle darauf, genau 30 Minuten vor Beginn einer Prüfung, eines Bewerbungsgesprächs oder eines wichtigen Neuanfangs, eine Banane zu essen. Nach 30 Minuten sollte die Banane angeblich wertvolle Energie freisetzen, die einem zu großer Konzentration und sicheren Auftreten verhelfe.
Wir grinsten zwar über all unsere Vorbereitungen und Rituale, weil wir sie doch nur mit einem Lächeln ernst nehmen konnten, hielten uns aber trotzdem eisern daran.
Offensichtlich haben wir damals alles richtig gemacht, denn die Prüfungen liefen für uns alle prima, erste Tage meisterten wir in der Regel ohne Angst und lernten schon bald nette Leute kennen und auf Vorstellungsgespräche folgten Arbeitsplätze…
Alle Erfolge nun allein der ›Bratarsch-Unterhose‹, Kettenanhängern, Kugelschreibern oder auch ›The Draft‹ zuzuschreiben wäre natürlich schlichter Unfug. – Und dennoch: Eine Studie belegt, dass Glücks-Denken als positive Leistungsverstärkung funktionieren kann, indem Glücksbringer den Glauben an die eigenen Fähigkeiten verstärken und der jeweiligen Person so zu einem sichereren Auftreten und größerem Selbstvertrauen verhelfen können. Die drei Forscher Lysann Damisch, Barbara Stoberock und Thomas Mussweiler von der Universität Köln sind der Wirksamkeit des Glücksglaubens in vier Experimenten nachgegangen.
Im ersten sollten die Versuchsteilnehmer, eingeteilt in zwei Gruppen, Golfbälle einlochen. Die Gruppe, die einen ›Glücksball‹ zur Verfügung gestellt bekam (welcher sich jedoch nicht von anderen üblichen Golfbällen unterschied) schnitt besser ab, als die andere Gruppe. Ein zweites Experiment, an dem drei Versuchsgruppen teilnahmen, prüfte die Wirksamkeit sozialen Zuspruchs: Aufgefordert, an einem Geschicklichkeitsspiel teilzunehmen, bei dem 36 Kugeln durch das Bewegen eines transparenten Plastik-Kästchens in dessen 36 Löcher versenkt werden sollten, waren die Teilnehmer der Gruppe am schnellsten, denen durch ein »Ich drücke Dir die Daumen« der Versuchsleiterin positive Energie gesendet werden sollte. Die Vergleichsgruppen, die beide gleichermaßen schlechter abschnitten, bekam diesen Zuspruch nicht, sondern nur ein sinnfreies »Ich drücke Dir die Uhr« oder ein simples Startzeichen mit »Los geht’s«.
Das dritte Experiment wurde ausschließlich von Versuchsteilnehmern durchgeführt, von denen zuvor erfragt worden war, ob sie einen Glücksbringer besitzen. Diese Glücksbringer sollten zum Termin mitgebracht werden. Die Teilnehmer mussten zunächst Fragen zum ihrem Glücksbringer beantworten und sollten ihn anschließend kurz für ein Foto abgeben, das im Nebenraum aufgenommen werden sollte. Nur eine Hälfte der Versuchsteilnehmer bekam ihren Glücksbringer für die dann folgenden Aufgaben zurück. Die andere Hälfte musste aufgrund angeblicher Probleme mit der Kamera auf ihre Talismane verzichten.
Beide Gruppen bekamen einen Fragebogen zu ihrem Befinden und ihrem Selbstvertrauen in Bezug auf die für später angekündigte Gedächtnisaufgabe. Das Ergebnis: Die Teilnehmer der Gruppe, die ohne Glücksbringer fortfahren mussten, fühlten sich schlechter und schnitten auch bei den Gedächtnisaufgaben weniger gut ab als die Glücksbringer-Gruppe.
Das vierte Experiment (welches die gleiche Versuchsanordnung hatte wie das dritte) ergab, dass die Teilnehmer, die ihren Glücksbringer behalten durften, zuversichtlicher dachten, sich höhere Ziele steckten und länger und ausdauernder an den jeweiligen Aufgaben arbeiteten als die Teilnehmer, die ihren Glücksbringer nicht zurück bekommen hatten.
Die Ergebnisse belegen allerdings nicht, dass Glücksbringer tatsächlich jeden Menschen positiv unterstützen können. Die Wissenschaftler bemerken, dass sich die positiven Auswirkungen nur bei denjenigen zeigen können, die dem Glauben daran ohnehin zugeneigt sind.
Das Ganze funktioniert nämlich vollkommen ohne Magie, denn natürlich geht die ›Kraft‹ nicht vom Glücksbringer selbst aus. – Der Glücksbringer dient lediglich als Vehikel, an sich selbst zu glauben und eigene Fähigkeiten in einer Situation auch tatsächlich zu zeigen. (Deshalb ist es natürlich auch nicht ratsam, beispielsweise für Prüfungen nicht mehr zu lernen und ganz auf das Glück durch den Anhänger zu vertrauen…)
Wenn man sich aber gut vorbereitet oder auch einfach erwartungsvoll zum ersten Ausbildungstag erscheint, dann kann das Glückskettchen beim Träger tatsächlich für eine selbsterfüllende Prophezeiung sorgen: Wer daran glaubt, erfolgreich zu sein und Glück zu haben, lässt Selbstzweifeln in wichtigen Situationen keinen Raum, tritt selbstbewusster auf und zeigt auch gern mehr Anstrengung und Ausdauer, wenn sich Schwierigkeiten ergeben.
Also, wenn Sie dem Glücksbringer-Glauben nicht abgeneigt sind, dann schwingen Sie sich zum nächsten Aus- oder Weiterbildungsstart, zur nächsten Prüfung oder zum nächsten Bewerbungsgespräch in Ihre Glücksklamotte und werfen Sie das Kettchen um! Und wenn Sie Glücksbringer für Quatsch halten, dann tun Sie dennoch eins: Glauben Sie an sich selbst.
Wer die Publikation zur Studie mit dem Titel »Keep Your Fingers Crossed! How
Superstition Improves Performance.« von Damisch, Stoberock und Mussweiler
in der Zeitschrift Psychological Science selbst einsehen möchte, findet diese hier:
http://soco.uni-koeln.de/files/PsychS21_7.pdf